© Thomas Kampmann ./. ART & carlfunkel

Bücherkiste 2006

Mein Lieblingsbuch 2006:

"Der lange Weg" von Joseph Boyden

Landleben
John Updike

Ein überflüssiges Buch von einem meiner liebsten Autoren. Inhaltlich, hat er das schon mehrmals durchgekaut und nie besser geschrieben als in "Rabbit in Ruhe“
Erinnert stark an Begleys About Schmidt. Hat Updike nicht nötig.

 

Bis ich dich finde
John Irving

Langweilig! Was sie immer schon über Tatoos wissen wollten. Ich wollte und konnte es nach 200 Seiten nicht mehr ertragen. Nach seinem Meisterstück "Owen Meany“ konnte ich nur noch "Zirkuskind“ mit Mühen zu Ende bringen und bei "Witwe für ein Jahr“ war eh alles vorbei. Was war das früher für ein Gott: "Garp“ oder "Gottes Werk und Teufels Beitrag“, "Hotel New Hampshire“, "Die Bären sind los“ etc… Ganz großes Kino damals.

 

Die Vermessung der Welt
Daniel Kehlmann

Klasse Buch! Erkundungsräusche, Entdeckerphantasien. Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß, zwei Genies wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Der eine rastlos in der Welt unterwegs der andere mathematisch, philosophisch genial - aber kauzig zu Hause. Das ist Wissenschaftshistorie und Philosophie wie ich es liebe. Dabei noch komisch genug.

 

Der Weltensammler
Ilija Trojanow

Sehr anspruchsvolles Buch, halbauthentisch aus dem Leben des Entdeckers Richard Francis Burton. Ein Abenteuer- und Ethnoroman. Hinduismus, Islam und die Erforschung der Nilquellen in Afrika. Rastlos und bizarr. Und auf einmal versteht man was in Mekka so abgeht. Schildert sogar in einfachen Worten den Ursprung der heutigen Kulturkämpfe.

 

Pferde stehlen
Per Petterson

Eines der schönsten Bücher des Jahres. Voller Altersweisheit, ohne über Gebrechen zu schweigen. Eine spannende Zeitreise mit Nazihintergrund im hohen Norden. Unbedingt empfehlenswert.

 

Der lange Weg
Joseph Boyden

Meine Entdeckung des Jahres. Bis heute mein absoluter Favorit in 2006. Ein fulminanter Antikriegsroman, ein Roman voller indianischer Mystik und es passt so stimmig zusammen, dass ich noch tausend Seiten davon gebraucht hätte.

 

Eine Saison mit Verona
Tim Parks

Wer über den italienischen (Mafia-) Fußball mitreden will und trotz allem Fußballfan bleiben will, dem sei dieses Buch unbedingt zu empfehlen. Neben "fever pitch“ wohl das beste Buch über Liebe, Hass und Treue im Fußball. Vergesst den ganzen WM – Fußball Buch-Müll und man versteht auch den zuweilen abgrundtiefen Hass zwischen Schalke und Dortmund, zwischen 1860 und Bayern, zwischen Frankfurt und Mainz, etc…. viel besser. Klar wird auch, so wie es bei einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung immer ist: die ganze Sport - Journaille  schürt schon im Vorfeld eines Derbys die Emotionen so, dass die verfeindeten Lager quasi nicht anders können, als aufeinander los zu prügeln. Ist ja ihre Bestimmung. Das wäre schon mal eine Aufgabe für mich: mit dem BVB eine ganze Saison zu allen Auswärtsspielen und das mit den schangeligsten Fortbewegungsmitteln die es gibt. Ständig eingekreist von Sonderkommandos im Vorfeld und quasi eingesperrt in den schlimmsten Ecken der Stadien. Eben der –Gästefanblock-. Ich denke allerdings, der vergleich hinkt, die deutschen Stadien sind sowieso ziemlich in Schuss aber Italien… und die Entfernungen. Da fährst Du 2000 Kilometer nur um in Palermo eine Klatsche zu fangen. Da musst Du schon echter Fan sein.  Toll, die Beschreibungen von Parks eben über diese Typen: verrückt, süchtig, vollkommen verstrahlt oder gläubig und manchmal alles zusammen.

 

Der Sündenfall
Stephen Amidon

Im Sinne der amerikanischen Gesellschaftsromane geschrieben. Irgendwo zwischen Jonathan Franzen und Tom Wolfe mit Anleihen bei John Updike. Teilweise beklemmend aber auch nervend, weil mit jedem weiteren Kapitel auch ein weiteres Drama, persönlicher, pekuniärer oder politischer Natur dazu kommt. Zum Ende hin anstrengend.

 

Der Teufel von Mailand
Martin Suter

"Als ich diesen Autoren vor etwa 6-7 Jahren mit Small world  und Die andere Seite des Mondes entdeckte, war ich hin und weg. Leider hat er mich seit dem nicht mehr wirklich überzeugt. Der Gipfel ist diese hanebüchene Alpengespenstergeschichte im Sinne von "Der Berg ruft“. Schwach. Und wieder verstehe ich diese Lobhudelei nicht.

 

Der Prediger von Fjällbacka
Camilla Läckberg

Ein hoch gelobter Krimi, der die Erwartungen nie ganz erfüllen kann. Liegt vielleicht aber an der sehr gestelzten und hölzernen Übersetzung. Und zu viele Nebengeschichten, die dazu noch äußerst langweilig sind.

 

Wo kein Zeuge ist
Elisabeth George

Das sollte nun wirklich der letzte Roman von ihr sein. Ich habe es im Urlaub noch mal versucht und es war wirklich schade um die Stunden. Leider habe ich den "Kriminalroman“ zu Ende gelesen.

 

Tiefer Schmerz; Falsche Opfer; Böses Blut; Rosenrot
alle von Arne Dahl

Allesamt gute Krimis. Absolut spannend und "politisch korrekt“. Mein Lieblingsautor aus dem Norden.

 

Das fünfte Zeichen
Jo Nesbö

Klug durchdachter Krimi, norwegisch und versoffen, und bis zum Ende leidlich spannend. Und wenn der Oberermittler auch noch Harry Hole heißt, und eigentlich schon wegen Sauferei und anderer Eskapaden quasi entlassen ist, macht das sowieso total solidarisch.

 

Ein Geheimnis
Philippe Grimbert

Beklemmend autobiographischer Roman über Paris zur Zeit der Naziherrschaft und des Vichyregimes. Die meisten Juden fliehen aus der Stadt und an einem Schicksal zweier ehemaliger, jüdischer "Sportstars“, macht sich Dunkelheit breit. Aus der Sicht eines damals kleinen Jungen, der seinen heldenhaft und psychodramatisch verehrten Bruder -plus Mutter-, an die Vernichtungslager verliert. Nach und nach kommt die  wahre Geschichte (bzw. die des Erzählers) raus.

 

Stirb ewig
Peter James

Schon die Ausgangslage ist klasse. Junggesellenabend, der Heiratswillige wird zum Spaß eingegraben, die anderen fahren solange in eine Kneipe, unterwegs ein Unfall – alle tot. Keiner weiß wo das Grab ist. Am Ende fällt der Krimi leicht ab, aber insgesamt Genuss ohne Reue.

 

Es geht uns gut
Arno Geiger

Tja, zwiespältig. Richtig gefallen hat mir nur die Beschreibung der Tauben. Als Sinnbild für völlige Verdreckung in Geist und Seele. Das Leben eines Fragezeichens, in den Tag hinein gelebt und wieder raus, und so weiter.

 

Die Brooklyn Revue
Paul Auster

Lesenwertes von unserem Chefstoryteller aus New York.
Geschichte um einen scheinbar „Todkranken“ der es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine Art familiäres soziales System in Brooklyn zusammenzuhalten. Lakonisch, jüdisch, tragikkomisch, schön! So recht hat Auster mich noch nie enttäuscht.

 

Der Augenblick der Wahrheit
Leif Davidsen

toller "politischer“ Krimi. Ein  Paparazzi  hat bei seiner Promijagd einmal zu viel auf den Auslöser gedrückt. Spannend bis zum Schluss. Es geht hin und her zwischen Stasi und dänischem Geheimdienst, aus dem flirrenden Madrid ins „Dr. Schiwago Russlands.“

 

Schillers Vermächtnis und Teufelszeug
Heinrich Peuckmann`s "Heimatkrimis“

Gut durchdachte Krimis aus Dortmund. Man kann quasi mit dem Hauptkommissar die Straßen nachfahren. Das ist schon verrückt und auch nachvollziehbar. Auch die Stories sind stimmig und er bemüht sich immer um ein überraschendes Ende.
Ein Krimi aus dem Neonazi Müll Bereich, der andere siedelt eher bei "Sekten“ an. Aber eben nur vordergründig. Schade ist, dass er immer wieder zeigt, was er gelernt hat: Theologie, Philosophie, etc…Man liest es und denkt, ach ja, das steht ja auch auf dem Buchrücken, dass der davon Ahnung hat. Und so hebt es sich irgendwie auf. Es ist etwas schal, wenn man die Erkenntnisse  seines Berufslebens unbedingt immer einarbeiten will.

 

Stille
Tim Parks

Ein Highlight des Herbstes. Schon fast ein Ausflug in den Buddhismus.
Ein Übervater (so eine Mischung aus Harald Schmidt und Ulrich Wickert) der Medien
wird plötzlich durch einen seiner Söhne auf Daumengröße gestutzt. Der hat nämlich eine Biographie über den Medienstar gemacht. Titel : Im Schatten des Allmächtigen.
Nach der Lektüre kommt es zum Showdown. Einerseits macht er das Interview seines Lebens (mit Bush) andrerseits beschließt er die totale Askese. Ausgerechnet in den italienischen Dolomiten. Und haut hier in verzwickte inzüchtige Systeme. Toll, wie Parks das neue Leben in der Einsamkeit beschreibt, man friert förmlich mit, hört die Scheiße aus dem Außenklo nahezu in die Tiefe klatschen. Man hat kurz vor dem Ende, Angst vor dem Ende: Angst davor, dass das Buch bald aus ist und davor, das einem die "Auflösung“ nicht behagt. Mir behagte sie auch nicht so recht.